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Angst oder keine Angst? - Das ist nicht die Frage!

Angst ist eine angeborene Emotion. Angst hat uns immer gezeigt, wo und wann wir achtsam sein mussten, weil unser Leben in Gefahr geriet. Noch vor 200 Jahren - oder auch weniger - war das Leben wirklich lebensgefährlich. Überleben war wichtig. Es gab Hungersnöte, Krankheiten, Raubtiere, alle möglichen Kriege. Angst ist ein Überlebensmechanismus, der unsere Sinne so schärft, dass wir die Gefahren erkennen können. Die Angst hat geholfen, uns anzupassen. Wir gehen nicht direkt zu einem Löwen hin und streicheln ihn. Sondern die Angst sagt uns, dass wir unser Überleben riskieren, wenn wir das tun würden. 

 

Angst hebt das Erregungsniveau in unserem Nervensystem an. Und sie zeigt an, dass da etwas ist, das du nicht vorhersehen, das du nicht steuern oder kontrollieren kannst. Oder die Emotion lässt dich die Zukunft vorausdenken mit allem, was noch an Gefährlichem passieren könnte. Und diese Erhöhung des Erregungsniveau wirkt sich auf den Körper aus. - Stresshormone werden ausgeschüttet, wir machen uns zur Flucht oder zum Kampf bereit. Pupillen verengen sich. Der berühmte Tunnelblick stellt sich ein - dh, wir sind fokussiert auf den Fluchtweg und sehen nicht mehr, was links und rechts noch möglich wäre. Energie aus dem Körper wird bereit gestellt. Der Herzschlag beschleunigt sich, die Verdauung wird heruntergefahren. Das sind automatische Funktionen, die wir nicht bewusst steuern können. 

 

Die Wahrnehmung verändert sich. Alles andere rund um uns wird unwichtig. Alles dient dazu, wach und wachsam zu sein. Und wir stellen uns worst-case-Szenarien vor, denn das Gehirn bereitet sich auf alle möglichen Situationen vor, um dann im Falle schnell reagieren zu können. Die Nicht-Vorhersehbarkeit, dass etwas passieren könnte, verstärkt die Emotion, die Angst, und beeinflusst das Denken. 

 

Wir unterscheiden: die reale Gefahr, vor der wir Angst haben (berechtigte Angst) und die befürchtete Gefahr! Also etwas, von dem wir denken, dass es passieren könnte! Wir stellen uns die schlimmsten Bilder und Horrorvisionen vor. Wir malen uns aus, wie andere reagieren, wenn wir dies oder jenes sagen. 

Wir fragen nicht nach dem, was wir wollen, sondern befürchten, wie der andere reagieren könnte? Was könnte alles passieren, wenn wir vor einem Publikum sprechen? - Und wie oft haben wir nach solchen Situationen schon gesagt: „So schlimm war es doch nicht.“ - Das sind dann befürchtete, keine realen Ängste.

 

Wenn wir aber immer und immer wieder an diese möglichen Ereignisse in der Zukunft (die wir ja gar nicht vorhersehen können!) denken, werden sie irgendwann zum Automatismus und wir hängen in der Immer-wieder-darüber-Nachdenken-Spirale.

 

Wir denken, was alles Schlimmes passieren könnte - und wir haben Angst. Die Emotion Angst verstärkt dann wieder das Denken, was alles geschehen könnte. Und diese Vorstellung ist vielleicht noch schlimmer, noch dramatischer, noch gefährlicher. Der Körper lernt dann, in der Angst zu leben. 

 

Manche Menschen haben sehr schlimme Situationen in der Vergangenheit erlebt; dramatische Ereignisse mit hoher emotionaler Ladung. Das Gehirn hat diese Erlebnisse wie ein Standbild abgespeichert. Besonders bedrohliche Ereignisse werden so abgespeichert, als ob sie gerade jetzt passieren. Das ist dann eine langfristige Erinnerung. Die betreffende Person denkt immer wieder an dieses Ereignis - erlebt immer wieder die damit verbundenen Emotionen - als ob es in der Gegenwart passieren würde - und immer, wenn sie an das Ereignis denkt, werden dieselben Stresshormone und Botenstoffe im Körper aktiviert. Das Erinnern wird zu etwas „Vertrautem“. Manchmal ist es leichter, die Angst zu fühlen, als Freude zu fühlen. Denn das Angstgefühl ist ja ständig präsent, wird immer wieder abgerufen und verstärkt sich. Freude fühlen ist für die Person etwas Neues, Unbekanntes, denn das hat sie ja nicht so oft „geübt“ und gedacht.

 

Und das „normale“ Programm, um diesem Kreislauf zu entkommen, ist dann oft, dass wir uns etwas im Außen suchen, um es auszuhalten, um uns beruhigen, um uns aus dem Kreislauf zu befreien. Wir greifen zur Schokolade, zum Glas Wein, sitzen vor dem Fernseher, … Dann fühlen wir uns (kurzfristig) etwas besser. Beim nächsten Erinnern und Denken an das frühere Ereignis suchen wir wieder Erleichterung im Außen - und geraten in eine Abhängigkeit. Es hilft dir zwar im Moment, aber es behebt nicht die Ursache!

 

Die gesamte Aufmerksamkeit geht dann in die Außenwelt, wir achten ständig auf das, was im nächsten Moment passieren könnte. Wir bleiben ständig in Alarmbereitschaft. - Der Erregungspegel kann nie wirklich zur Ruhe kommen. 

Wenn wir versuchen, alles vorherzusehen, was passieren könnte, wenn wir unsere Aufmerksamkeit ständig auf Probleme lenken, auf das, was uns Angst macht oder auch Schmerzen bereitet, wird unser Radius stark eingeschränkt. Der Tunnelblick verhindert einen Überblick. 

 

Ein Ausweg ist, immer wieder in das Jetzt zu kommen. Jetzt. Was ist gerade? Sich des Gefühls bewusst zu werden, was wir als Angst bezeichnen. Wo spüre ich dieses Gefühl am deutlichsten? Welche Form, welche Farbe hat es? Bewegt es sich? Ist es lokal? 

 

Anstatt vor diesem Gefühl zu fliehen, sich abzulenken, können wir den Körper zur Ruhe bringen. Ihm klar zu machen, dass er nicht in dieser Situation von damals ist, dass im Jetzt, Gerade hier und jetzt, keine Gefahr droht. Jetzt im Moment ist alles gut.

 

Du entscheidest, worauf du deine Aufmerksamkeit richtest. Im Moment, wenn du zur Ruhe kommst, ein paar Mal tief ein- und ausatmest, vielleicht dich an einer Stelle am Körper berührst - du kannst die Hand oder Hände auf dein Herz legen, oder eine Hand auf die andere - und dir vergegenwärtigen, dass Jetzt - in diesem Augenblick - keine Gefahr droht. 

 

Gib nicht dem (möglichen) Impuls nach, dass du aufstehen solltest, noch dies und jenes zu erledigen hättest, … lass dich nicht ablenken! - Achte auf das Jetzt. Zeig dir selbst, dass es keinen Grund für die Angst gibt. Wir neigen dazu, immer im gleichen Vertrautem zu bleiben. Und es kann mühsam sein, uns immer wieder darauf einzulassen, im Jetzt zu bleiben und nicht wieder alle gewohnten Gedanken und Verhaltensweisen automatisch ablaufen zu lassen.

 

Der Körper - und das Gehirn - können so in den Entspannungsmodus wechseln. Sie sind nicht mehr in der Vergangenheit, in der Angst.

 

Angst gehört zum Leben. Es wird immer wieder Situationen geben, in denen eine begründete - oder auch befürchtete - Angst erlebt wird. Aber wir müssen uns nicht dieser Angst ergeben! Jetzt ist das Gehirn und der Körper in Sicherheit. Die gewohnten Denkweisen können wir verändern! - Es ist unsere Entscheidung, worauf wir die Aufmerksamkeit lenken!

 

Ein paar Tipps, wenn befürchtete Ängste sich breit machen wollen: 

(Tipps entdeckt auf Instagram; „mymonk.de")

 

  • Mach dir klar, dass deine Gedanken nicht der Wirklichkeit entsprechen (müssen).
  • Du bist NICHT deine Gedanken! - Du lenkst deine Gedanken!
  • Beobachte die Gedanken als wären sie Wolken am Himmel, die vorüberziehen.
  • Was befürchtest du? Und was passiert jetzt gerade wirklich in diesem Moment?
  • Wie könntest du die Situation, die dich gerade ängstigt, anders benennen? - Unsere Bewertungen der Situation als „negativ“ grenzen die Möglichkeiten meist ein.
  • Konzentriere dich auf deine Umgebung. Suche alle Gegenstände, die rot (oder blau oder grün) sind. Schau dich um. - Damit verortest du dich im Jetzt.

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